Rennstreckentest eines der erfolgreichsten Tourenwagen der Gr.A (verbesserte Tourenwagen) Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre. Der Mercedes 190 E 2.5-16 Evo 2. Der Gegenspieler des BMW M3. Mit dem 190er erst als 2,3 Liter, dann als 2,5 Liter Evo 1 und schließlich Evo 2 wurden seinerzeit zahlreiche Rennen und Meisterschaften nach Gr.A-Reglement gewonnen. Unter anderem die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft (DTM) 1992 (Ludwig). Ein Artikel von Thomas Voigt aus der Kult-Zeitschrift rallye racing vom Januar 1991, Seiten 42-45.

„Das Auto, von dem man sich wahre Wunderdinge erwartet hatte, wurde zum Flopp der Saison: Der Mercedes 190E 2.5-16 Evolution 2 konnte in seinem Premierenjahr bei fünf Einsätzen nur einen Sieg, eine Trainingsbestzeit und eine schnellste Rennrunde erobern. Während das Gruppe C-Lager auftragsgemäß erneut die Sportwagen- Weltmeisterschaft ins Schwabenland holte, verfehlte die Tourenwagen-Fraktion zum dritten Mal in Folge das Klassenziel — den Gewinn der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM).
Spott und Hohn hätten sich vermutlich in Grenzen gehalten, hätte Mercedes ein etwas konventionelleres Fahrzeug auf die Beine gestellt. Dem „Evo 2" eilte nämlich schon vor dem ersten Einsatz der Ruf voraus, im Tourenwagen-Sport für neue Dimensionen zu sorgen. Rein äußerlich schaffte er es: Viele Stunden Windkanalarbeit verliehen dem vermeintlich optimalen Renn-Daimler ein skurriles Aussehen. Das Endprodukt erweckt den Eindruck, als wäre dem biederen Serien-190er das Plastikkleid eines Ferrari F40 übergezogen worden. Der Zweck heiligt die Mittel: Eine ausladende Frontschürze, dicke Kotflügelverbreiterungen und vor allem die überdimensionale Heckflosse sollten dem "Evo 2" gegenüber der Konkurrenz jenen klaren Vorsprung verschaffen.
Doch zwischen Theorie und Praxis liegen oft Welten. So auch beim Evolution 2. Zwar hat der „Macho-Benz" noch ein Jahr Zeit, sich zu bewähren, ehe er (wegen eines neuen Reglements) ins Museum wandern wird. Die bisherigen Ergebnisse waren aber wenig ermutigend und erfreuten nur die Konkurrenz, die — zumindest 1990 — mit weniger spektakulären Geschöpfen mehr Erfolg hatten.
Sogar im eigenen Lager wird der „Evo 2" eher mit gemischten Gefühlen betrachtet. Tuner AMG, als größtes und erfolgreichstes Mercedes-Werksteam, im nächsten Jahr für die Versorgung aller Kunden zuständig, stand dem Projekt von Anfang an skepktisch gegenüber. Die Erfahrungen bestätigten die Befürchtung. Der Unterschied zum dezenten „Evo 1". mit dem AMG zu Saisonbeginn drei Rennen gewinnen konnte, sei nicht besonders groß — mehr Schein als Sein. Nur auf der Nordschleife sprachen die Chauffeure von einem „ruhigeren" Fahrverhalten. Dabei gelang es den Daimler- Ingenieuren, einen höheren Abtrieb zu erzeugen, ohne den cw-Wert zu verschlechtern. Die Verstellmöglichkeiten des nur vier Kilogramm schweren Kohlefaser-Heckflügels werden allerdings — ähnlich wie bei BMW — nicht voll genutzt. Mit der flachsten Stellung ist der Mercedes vor allem in den Bremszonen sehr unruhig. Daß der Flügel dank eines Aufsatzes auf der Heckscheibe optimal angeströmt wird, beweist die Höchstgeschwindigkeit, die mit voll ausgefahrenem Flügel um sechs Kilometer pro Stunde sinkt. Voll wirksam wird das Flügelwerk schon bei Tempo 150.
Probleme bereitete den AMG-Technikern vor allem die Konstruktion der Frontpartie. Um die Aerodynamik zu verbessern, soll der „Evo 2" seine Kühlluft eigentlich durch den Frontspoiler ansaugen. Mittels Blechen wird der Luftstrom zu den Kühlern geführt. Den Nachteil bemerkte man erst im Rennbetrieb: Aufgewirbelter Schmutz verstopft schnell den Kühlluftschacht in der Front-schürze — steigende Temperaturen und dadurch bedingter Leistungsverlust sind die Folge. Überhaupt birgt der fast bis zum Boden reichende Spoiler eine zusätzliche Gefahr: Wer einmal vom rechten Kurs abkommt und in ungünstigem Winkel über die Randsteine räubert, ist sein Bugteil los. Die Konsequenz: Mit dem „Evo 2" muß man einen fast so sauberen Strich fahren wie in einem Formel-Auto.
Daß dies möglich ist, dafür sorgen die von AMG entwickelten Radaufhängungen, die Formel-Standard entsprechen. Das Auto läßt sich daher sehr exakt lenken. Das allerdings ist kein Verdienst des etwa 20 Kilogramm schweren „Evo 2"-Umbaupakets, denn die Aufhängungen stammen vom „Evo 1". Lediglich für die Verwendung von 19 Zoll großen Rädern mußte AMG die Geometrie der Aufhängungen ändern. Die wurden allerdings bisher nur ein einziges Mal eingesetzt. Obwohl Kurt Thiim damit Diepholz gewann, ist man nicht einmal bei Reifenlieferant Dunlop sicher, ob die größeren Räder besser sind als die gewöhnlichen 18 Zöller, mit denen auch die Konkurrenz rennt (und gewinnt).
Den wichtigsten und wohl tatsächlich vorhandenen Vorteil des „Evo 2" merkt man erst am Steuer: Der Motor klingt — auch bedingt durch den Katalysator — viel rauher als der des Vorgängermodells und ist auch bissiger. Eine ganze Reihe von Modifikationen sorgten dafür, daß zwischen 333 und 335 standfeste Pferdestärken vorhanden sind. Spürbar zugelegt hat der Motor gegenüber der alten Version in Sachen Drehmoment.
Das Anfahren gestaltet sich mit dem Mercedes wesentlich angenehmer als mit einem BMW M3. Während der Bayer im unteren Drehzahlbereich lustlos spuckt und sprotzt, benimmt sich der Schwabe viel kultivierter. Zwar ist auch er kein Freund niedriger Drehzahlen, doch verschluckt er sich nicht so drastisch. Richtig vorwärts geht es freilich erst ab 5000 Touren. Begleitet von einem kernigen Sound, der wirkliche Rennwagen-Atmosphäre vermittelt, dreht er brav hoch. Bis 9000 Touren durften wir das 2,5-Liter-Triebwerk im Test drehen. Im Rennbetrieb kann es noch etwas mehr sein (etwa 9250).
Neben dem leicht gedreht ein-gebauten Drehzahlmesser bittet nur ein LCD-Display um Aufmerksamkeit. Hier werden permanent Öl- und Wassertemperatur eingeblendet. Alle anderen Werte wären mit der Bosch Motronic 1.7 zwar auch abrufbar. doch nimmt die Box dem Fahrer die Kontrollfunktion ab. Mittels Funk werden permanent alle wichtigen Daten übermittelt. Im Telemetrie-Bus erkennt der Experte das Ansteigen bestimmter Werte früher als der Fahrer.
Der muß freilich noch lenken und schalten. Das exakte Fünfgang-Getriebe stammt wie beim BMW M3 von Getrag, hat extrem kurze Wege und ist butterweich zu schalten. Dafür bringt einen die Lenkung nach wenigen Runden ins Schwitzen. Obwohl sich die '90er-Version des DTM-Mercedes schon leichter lenkt als die '89er-Variante, sind die Lenkkräfte noch immer gewaltig. Ein BMW-Pilot sitzt nach einer halben Stunde Fahrzeit mit Sicherheit entspannter im Cockpit als ein Mercedes-Chauffeur. Von einem Audi-Piloten ganz zu schweigen, der über eine Servolenkung verfügt. Die würde rund zehn Kilo mehr wiegen — einer der Gründe, warum man bei AMG bisher darauf verzichtete.
Vermutlich bald zum Einsatz kommt dagegen ein Antiblockiersystem. ABS hat sich bei Testfahrten im Motorsport bis-lang zwar noch nicht als schneller erwiesen, über eine längere Distanz werden aber die Reifen geschont. Das ist ein ganz entscheidender Faktor, denn der-zeit spürt man von Runde zu Runde ein Nachlassen der Haftung an der Hinterachse. Grundsätzlich liegt der „Evo 2" ausgesprochen neutral. In schnellen Ecken spürt man die Vorzüge eines hervorragenden Fahrwerks und des großen Abtriebs. Störrisch reagiert der Mercedes nur auf unexakte Fahrweise: Muß man plötzlich korrigieren — was wegen der schwergängigen Lenkung ohnehin mühsam ist —, bricht das Heck schnell aus. Die Vorderachse gefällt ohnehin mehr als die Hinterachse. Die Tendenz zum Untersteuern ist minimal.
Der Mercedes ist mit Sicherheit nicht schlechter als Hauptgegner BMW. Es bleibt aber die Frage zu klären, ob der „Evo 2" ohne das gewaltige Flügelwerk tatsächlich langsamer wäre. Einen wirklichen Vergleich hat man auch bei AMG noch nicht durchgeführt. Die Zeit war immer zu knapp.“
Technik in Kürze
Mercedes 190 E 2.5-15 Evo 2
Motor Vierzylinder-Vierventil-Saugmotor
Gemischaufbereitung Bosch Motronic 1.7
Hubraum cm³ 2490
Verdichtung 12,0:1
Max. Drehzahl 9250
Leistung (PS) 333
Kraftübertragung Heckantrieb, Fünfgang- Schaltgetriebe
Chassis Serienkarosserie, Stahlkäfig Fahrwerk vorn Dreiecksquerlenker, hinten Raumlenkerachse, Stabilisatoren, innenbelüftete Bremsscheiben ringsum
Räder/Reifen 9 x 19, Dunlop-Reifen
Gewicht (kg) 1040 (DTM-Gewicht)
Tankinhalt (Liter) 110
Preis DM ca. 350 000

aus rallye racing, Januar 1991, Seiten 42-45, ein Artikel von Thomas Voigt

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