Die Deutsche Rennsportmeisterschaft 1972-1985. 14 Jahre, die zur Legende wurden. Die Deutsche Rennsportmeisterschaft (DRM) war ein Kind ihrer Zeit. Und das wahrscheinlich Beste, was es im deutschen Automobil-Rennsport gab. Gustav Büsing und Uwe Mahla haben sich in ihrem Buch „Einfach eine Geile Zeit – Deutsche Rennsportmeisterschaft 1972-1985“ dieses Themas angenommen. Und wie man bereits eingangs festhalten kann, ein richtig geiles Buch daraus gemacht. Auf gehts, zur Zeitreise in die 70er und 80er.

In welches motorsportliche Umfeld fiel die DRM? Dazu müssen wir den Automobilsport jener Jahre noch einmal vor unserem geistigen Auge abrufen.
Eine Vorbemerkung: Der Automobilsport der 70er und 80er Jahre

Es gab immer wieder Epochen und Rennserien, die den Automobilsport nachhaltig geprägt haben. Insbesondere die 70er und 80er Jahre waren mit derartigen Epochen gesegnet. Es mag auch am Zeitgeist der 70er und 80er gelegen haben. Revoluzzertum, Aufbegehren gegen festgefahrene Strukturen, Suche nach Neuem, Drang nach Freiheit, Ablehnung von Vorschriften und Normen. Musik, Mode und „lifestyle“ prägten diese Zeit. Durch dieses Umfeld wurde auch der Automobilsport geprägt und brachte die besten Rennserien und besten Rennfahrzeuge aller Zeiten hervor. Ab 1966 fuhr in Nordamerika die CanAm-Serie für geschlossene und offene Prototypen mit extremen konstruktiven Freiheiten und den stärksten Rennwagen, die jemals bei Rundstreckenrennen an den Start gingen. Der Porsche 917/30 Spyder Gr.7 mit fast 1200 PS im Renneinsatz (und 1570 PS auf dem Prüfstand). Bis heute unübertroffen. Ab 1970 ihr europäisches Pendant – die Interserie mit einem identischen Reglement. Beide wurden ab Mitte der 70er technisch kastriert. Ab 1982 fuhr die Prototypen-WM für geschlossene Prototypen der Gr.C. Ebenfalls mit vielen konstruktiven Freiheiten. Allerdings dem Zeitgeist entsprechend als „Verbrauchsformel“ ausgelegt. Die Gr.C stand für hohe Leistung bei gleichzeitiger Effizienz. Ickx, Bell und Wollek, Stuck und Mass, Bellof und Winkelhock. Ab 1991 ebenfalls technisch kastriert - durch Einschränkung auf den ausschließlichen Einsatz der damaligen Formel 1 – Motore (Sauger bis 3,5 Liter). Die Ära der Turbomotore in der Formel 1 von Ende der 70er bis 1988. 1986 erreichten die Turbos von BMW als Qualifying-Motore bis zu 1350 PS (und fast 1500 PS auf dem Prüfstand). Lauda und Prost, Piquet, Mansell und Berger und schließlich die Legende – Senna. Und „last but not least“ im Rallyesport von 1982 bis 1986 die Ära der wilden Autos. Die Spezial-Rallyewagen der Gr.B mit bärenstarken Turbomotoren und Allradantrieb. In ihrer letzten Entwicklungsphase als Evo- und Pikes Peak-Varianten 600 bis 800 PS starke PS-Monster. Auf damals zumeist losem Untergrund. Blomquist und Mikkola, Toivonen und Mouton und schließlich die Legende – Röhrl.
Büsing/Mahla, Einfach eine geile Zeit - Deutsche Rennsportmeisterschaft 1972-1985
Genau in jene Zeit fällt auch die Deutsche Rennsportmeisterschaft. Und sie paßte dabei bestens in diese Rennserienlandschaft. Um die Deutsche Rennsportmeisterschaft im Kontext ihrer Zeit zu verstehen, muß man das motorsportliche Umfeld jener Zeit verstehen. Nur in diesem Zusammenhang wird einem auch das Selbstverständnis der DRM klar.
Die Reglements der Rennsportmeisterschaft
Gustav Büsing und Uwe Mahla begleiten die DRM von ihrer Gründung bis zu ihrem Ende. Dabei lassen sich vier wesentliche Abschnitte der DRM erkennen. Die frühen Jahre von 1972 bis 1975 mit den aus der Deutschen Rundstreckenmeisterschaft übernommenen Fahrzeugen. Tourenwagen der Gr.2 und GT-Wagen der Gr.3 und Gr.4. Mit dem ab 1976 gültigen Anhang J zum ISG der FIA gesellten sich die Gr.5 (Spezial-Produktionswagen) dazu. Sie prägten dann bis 1981 den Höhepunkt der DRM. Es handelte sich um die Fahrzeuge, die auch in der zeitgleich von 1976 bis 1981 ausgetragenen Marken-WM zum Einsatz kamen. Mit der Umstellung auf den ab 1982 gültigen Anhang J gesellten sich in den „Übergangsjahren“ 1982/83 zu den Gr.5 die geschlossenen Prototypen der Gr.C und die offenen Prototypen der Gr.6. Und schließlich der vierte und letzte Abschnitt der DRM: Die Jahre 1984/85 als ausschließlich mit Gr.C gefahren wurde, so wie in der seit 1982 ausgetragenen Prototypen-WM. 1985 fuhren bei gemeinsamen Rennen mit der Interserie auch offene CanAm-Prototypen mit. Das Gr.C-Reglement wurde dann noch im sogenannten „Supercup“ von 1986 bis 1989 fortgesetzt.
Ableger, Nachfolger und Querverbindungen
Die von 1979 bis 1983 ausgetragene Deutsche Rennsporttrophäe war ein „Ableger“ der DRM. Ausgeschrieben für Tourenwagen der Gr.2 und GT-Wagen der Gr.4. Geschaffen in der Gr.5-Ära der DRM um auch den reinen Privatiers mit kostengünstigeren Fahrzeugen eine attraktive Bühne zu bieten. Definitiv nicht zu unterschätzen. Cracks wie Dören und Grohs mischten dort mit. Auch ihr ist ein Kapitel gewidmet.
Die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft (DTM) oder wie sie in den Anfangsjahren noch hieß - Deutsche Produktionswagenmeisterschaft – war 1984 im weitesten Sinn aus der DRM hervorgegangen. Die Technik war aber eine ganz andere: Tourenwagen der Gr.A. Auch auf diese „Ausgründung“ verweisen die Autoren. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte …
Auch zur VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring – oder wie sie damals noch hieß: Langstreckenpokal Nürburgring sowie dem 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring gibt es Querverbindungen. Fahrer und Teams fuhren seinerzeit da wie dort, zum Teil mit den gleichen Fahrzeugen.
Und natürlich das Wechselspiel der Fahrer, Fahrzeuge und Teams auch mit der Tourenwagen-EM für Gr.2 (und später Gr.A), der Marken-WM für Gr.5 von 1976 bis 1981 und der Prototypen-WM für Gr.C ab 1982.
Die Gründungsväter
Büsing und Mahla bringen uns die Gründungsväter der DRM – Fritz Jüttner, Jochen Neerpasch und Hugo Emde - näher und ihre Intention hinter der Gründung der DRM: Die Schaffung einer „1. Bundesliga“ des deutschen Automobil-Rennsports. Das ist ihnen in der Folge mit der DRM auch definitiv gelungen. Die besten Teams, mit den besten Fahrern auf den besten Autos.
Die Fahrer, die Teams, die Marken, die Autos
Die Namen der erfolgreichsten Fahrer liest sich wie das, wie es die Autoren formulieren, „who is who“ des Rennsports mit Tourenwagen, GT-Wagen und Prototypen: Barth, Stuck, Fritzinger, Menzel, Schickentanz, Basche, Glemser, Becker, Obermoser, Heyer, Stenzel, Grohs, Krebs, Dören, Kelleners, Schommers, Stommelen, Surer, Ertl, Höttinger, Hezemans, Fitzpatrick, Schurti, Niedzwidz, Merl, Ludwig, Winkelhock, Bellof, Mass, Wollek, …
Alles, was im deutschsprachigen Raum seinerzeit Rang und Namen hatte fuhr in der Rennsportmeisterschaft. Ausländische Asse fuhren entsprechend mit deutscher Lizenz. Formel 1 – Fahrer versuchten sich gegen die Tourenwagen-Cracks und hatten dabei oft das Nachsehen.
Nicht anders bei den Teams, die diese Rennszene prägten: Brun, Grab, GS, Joest, Koepchen, Kremer, Loos, Max Moritz, Schnitzer, Zakspeed, …
Und natürlich die Marken: BMW, Ford, Opel, Lancia, Porsche, Toyota, …
Die Autos: der Handlungsstrang des Buches beschreibt eindrücklich die Entwicklung der Fahrzeugtechnik unter den sich im Zeitverlauf ändernden Reglements. Von den BMW 2002 und CSL, den Ford Escort und Capri, den Porsche 911 Carrera S, RS und RSR über die bärenstarken turbobefeuerten und in ihrer letzten Entwicklungsstufe über 900 PS (BMW M1 Turbo) starken Gr.5-Boliden wie BMW 320, BMW M1, Ford Capri Turbo, Lancia Beta Montecarlo, Porsche 934/935, den in den „Übergangjahren“ eingesetzten Porsche 908 Spyder und 936 Spyder der Gr.6 bis zu den Gr.C wie dem Ford C100, Lancia LC2 und Porsche 956.
Büsing und Mahla vermitteln dem Leser DIE „1. Bundesliga“ im deutschen Automobil-Rennsport. Eindrucksvoll und ungeschminkt. Man hat das Gefühl, wie in einem Film alles mitzuerleben.
Jahr für Jahr von 1972 bis 1985
In den einzelnen Kapiteln widmen sich die Autoren der Stellung der DRM in der Landschaft der Rennserien, ihrer Entstehungsgeschichte und ihren unterschiedlichsten Austragungsorten (zu denen in ihren Anfangsjahren auch noch Bergrennen gehörten), geben einen ausführlichen Einblick in die Technik unter den sich ändernden technischen Reglements und widmen sich dann Saison für Saison. Eingestreut, wie das Salz in der Suppe, die Fahrerporträts. Die abschließenden Kapitel widmen sich Themen wie der Finanzierung, den „Meistermachern“ und schließlich folgt ein all umfassender Statistik-Teil, der das Herz jedes Sportstatistik-Freundes höher schlagen läßt.
Kurzweilige Texte und beeindruckende Fotos
Wenn man sagt, „der Text liest sich ausgesprochen kurzweilig“, dann ist das stark untertrieben. Jeder, der auch nur einen „Hauch Benzin im Blut hat“ liest das Buch nicht nur, nein er „verschlingt“ es. Und selbst wenn man es einmal komplett durch hat, nimmt man es immer wieder zur Hand, als Nachschlagewerk, um einzelne Kapitel noch einmal zu lesen oder einfach nur die Bilder für sich sprechen zu lassen.
Die vielen Fotos und technischen Abbildungen tragen ein Übriges dazu bei. Zur Unterhaltung ist das Ganze gespickt mit reichlich Anekdoten und Geschichten am Rande.
„Technik-Freaks“ kommen bei vielen Bildern voll auf ihre Kosten. Abgestrippte Gitterrohrrahmenrennwagen geben den Blick auf ihre nackten Technik-Geheimnisse frei. Wild und ungeschminkt.
Die Bilder, überwiegend in Farbe und zum Teil großformatig versetzen den Leser zurück in die Zeit. Neben Rennszenen und diversen Motiven von DRM-Fahrzeugen auf verschiedensten Streckenteilen der diversen Rennstrecken, gibt es auch jede Menge Aufnahmen aus den Fahrerlagern und den Boxen. Eindrucksvoll die Atmosphäre jener Zeit. Das war noch die Zeit vor den Zutrittsausweisen, den VIP-Festungen und dem Einzug der Häppchen- und Champagner-Society.
Dieses Buch dürfte auch jeden Fan der VLN begeistern. Zum einen durch das noch volksnahe Umfeld und die kameradschaftliche Atmosphäre, wie man sie heute noch in der VLN finden kann. Zum anderen durch die „ehrliche“ Technik. Tourenwagentechnik vom Feinsten.
Die Autoren Gustav Büsing und Uwe Mahla sind ausgewiesene Kenner der Szene und haben es exzellent verstanden mit sehr viel „Herzblut“ eine allumfassende „Bibel“ dieser außergewöhnlichen Ära des deutschen Motorsports zu Papier zu bringen. Der Gruppe C Motorsport Verlag ist dafür die richtige Heimat. Mit sehr viel Fach- und Hintergrundwissen und sehr viel Liebe zum Detail ist hier ein einzigartiges Dokument einer einzigartigen Epoche entstanden. Erinnerungen für all jene, die diese Zeit miterlebt haben, für jene, die diese Zeit nur aus der Ferne miterleben durften aber dafür umso intensiver jede Information aufgesogen haben und für all jene, die diese Zeit noch nicht miterleben konnten. Regionen- und generationenübergreifend. Einfach eine geile Zeit.
256 Seiten – ca. 600 Fotos (sw/color) – Format 245 x 300 mm – deutscher Text – Hardcover – umfangreiche Statistik, ISBN 9783928540636, www.GruppeC.de, Erhältlich seit: April 2011, Preis: 50,00 EUR.

Fotos: Gruppe C Motorsport Verlag

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