Einer der erfolgreichsten deutschen Rennställe im Automobil-Rennsport ist in einer ländlich geprägten Region in der Nähe von Magdeburg zu Hause. Was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, ist bei näherer Betrachtung logisch. Eine mehr als 50-jährige Motorsporttradition, eine Auto-Cross-Strecke und seit 1997 eine permanente Rennstrecke sind die Zutaten zu den pfeffrig-heißen Gerichten von Schubert Motorsport. Ein Besuch in den „heiligen Hallen“ von Schubert Motorsport und ein Blick hinter die Kulissen.
Etwa 30 km südwestlich von Magdeburg, der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt, mitten in der Magdeburger Börde liegt Oschersleben. Eine 20.000-Einwohner-Stadt in einer landwirtschaftlich geprägten Region. Kartoffeln werden hier veredelt. Weite Blicke offenbaren sich über Felder und Äcker. Windräder erscheinen als Fixpunkte in dieser welligen Landschaft knapp 50 km nordöstlich des Harzes.
Und – der Motorsport ist hier zu Hause. Schon vor mehr als 50 Jahren – am 12. September 1959 - begann die Motorsportgeschichte in Oschersleben mit der Gründung des örtlichen Motorsport-Clubs. Motorradrennen wurden in den 60er Jahren veranstaltet. Anfang der 80er Jahre der Aufbau der Auto-Cross-Strecke „An den sieben Bergen“. Seit 1983 finden dort regelmäßig Auto-Cross-Rennen statt. Waren es in den 80er Jahren bis 1990 noch Läufe zur DDR-Meisterschaft, wird dort seit den 90er Jahren um Punkte zur Deutschen Meisterschaft gefahren.
Bereits seit den 80er Jahren als Aktiver dabei: Torsten Schubert. Er traf bei den Rennen auf sein großes Vorbild, den Berliner Peter Mücke, der seinerzeit mit seinen Mücke-Yamaha-Buggys die Szene dominierte. 1985 wurde Torsten Schubert Vizemeister in der DDR-Meisterschaft im Auto-Cross. 1996 stieg er in die Auto-Cross-EM ein, wurde 1997 Vizemeister, 1998 Meisterschaftsdritter und holte 1999 den Titel als Auto-Cross-Europameister.
Den Motorsport-Club und seine Motorsportveranstaltungen gibt es nach wie vor. Torsten Schubert ist Vereinsvorsitzender. Und er ist Geschäftsführer der Schubert Motors GmbH. Ein mittelständisches Unternehmen. BMW-Vertragshändler mit acht Standorten in Sachsen-Anhalt und im benachbarten Niedersachsen.
In Oschersleben ist nicht nur der Sitz der Unternehmensgruppe. Auch die Motorsportabteilung von Schubert Motors ist hier zu Hause. „Am Pfefferbach“ heißt die Adresse. Nomen est omen – denn hier werden wahrlich „heiße, pfeffrige“ Sachen gemixt. Renntechnik vom Feinsten.
Dabei ist der Standort optimal gelegen. So wie viele Rennställe in unmittelbarer Nähe zum Nürburgring in der Eifel zu Hause sind, sind es vom Pfefferbach im Oscherslebener Gewerbegebiet nur 3 Autominuten bis zur Motorsport Arena Oschersleben. 3,667 km Rundenlänge. Vor den Toren der Stadt. Seit 1997 gibt es hier jährlich mehrere Rennwochenenden mit Auto- und Motorradrennen. Ideale Testbedingungen für Schubert Motorsport.
Teammanager Stefan Wendl empfängt mich im Pavillon von Schubert Motorsport. Handschlag, small talk … man kennt sich. Elf Mann arbeiten an diesem Betriebsstandort für die Motorsportaktivitäten der Schubert Motors GmbH. Die Büroräume teilt man sich mit dem Rechnungswesen der Unternehmensgruppe. Die Motorsportmänner werkeln ohnehin weniger im Büro als vielmehr in den Werkstatt- und Lagerräumen. Stefan Wendl hat ein kleines Büro. Wir ziehen für unser Gespräch den Aufenthalts- und Sitzungsraum vor. Der Weg führt uns vorbei an den Sozialräumen. „Hier können die Jungs auch schon mal schlafen, wenn es mal später wird und länger dauert.“
In den Werkstatträumen herrscht emsige Betriebsamkeit. Die Einsatzfahrzeuge sind zurück vom ADAC GT Masters auf dem Nürburgring. Aus eigener Rallyesport-Erfahrung finde ich die Atmosphäre klassisch motorsportlich. Für einen Rennstall im professionellen Motorsport reicht der Platz hingegen nicht mehr. Eine Erweiterungsinvestition auf dem angrenzenden Grundstück ist geplant. Altlasten und Naturbelange haben diese bislang verzögert. Bäume müssen gefällt werden. Torsten Schubert wird an der Auto-Cross-Strecke aufforsten. Eine dreimal so große Fläche.
Teammanager Stefan Wendl ist mit dem Team schon sehr lange verwachsen. Früher, als Kind fuhr er mit seinem Opa immer zu den diversen Auto-Cross-Strecken und war Fan von Torsten Schubert. Später folgte sein beruflicher Einstieg bei Schubert Motors. Nach dem Studium bei BMW in München übernahm er die Leitung der Motorsport-Abteilung bei Schubert Motors.
Wer die Truppe an den Rennstrecken erlebt, merkt sehr schnell: Die Atmosphäre ist familiär. Es ist noch nicht so lange her, da schraubten die Motorsportmänner von Torsten Schubert bei diesem zu Hause in der Garage. Bodenständig, geerdet geht es auch heute noch bei Schubert Motorsport zu. Den Spruch: „Hier schraubt der Chef noch selbst“ – kann jeder erleben, der die Truppe bei Renneinsätzen beobachtet. Torsten Schubert ist der Typ, der lieber mit „seinen Jungs“ unter dem Auto liegt und eben mal schnell ein Getriebe wechselt, wie jüngst bei der ADAC GT Masters am Sachsenring passiert, als daß er den „großen Chef“ spielt und vor Journalisten posiert. Und genau das macht die Mannschaft aus der Magdeburger Börde so sympathisch.
„Allein geschafft aus eigener Kraft“ trifft ebenfalls auf Schubert Motorsport zu. Auch wenn es einen Technologieaustausch mit BMW Motorsport in München gibt, weil bei Schubert Motorsport die von BMW verkauften Gr.GT3-Rennwagen auf Basis des Z4 aufgebaut werden und auch wenn mal ein Einsatz als externer Dienstleister für den Auftraggeber BMW Motorsport realisiert wird (beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring), Schubert Motorsport ist ein Privatteam reinsten Wassers, mit Wurzeln, die bis in die 80er Jahre (Auto-Cross-Rennen in der DDR) zurückreichen und das sich seinen Erfolg in den letzten 30 Jahren hart erarbeitet hat.
Schubert Motorsport stieg 1999 in den Automobil-Rennsport ein. In die Deutsche Tourenwagen Challenge (DTC) mit seriennahen Tourenwagen. Von Anfang an vertraut die Truppe aus Oschersleben aus naheliegenden Gründen auf Fahrzeuge der Marke BMW. Im Jahr 2000 fuhr Torsten Schubert gemeinsam mit Thomas Schiemann und Detlef Linke. Torsten Schubert beendete nach der Saison 2000 seine aktive Laufbahn und widmete sich fortan als Chef seinem Team. Ab der Saison 2001 wurden Profi-Fahrer verpflichtet. Marcus Gedlich und Claudia Hürtgen stießen zu Schubert Motorsport. 2001 der Titelgewinn durch Marcus Gedlich. Nach Meisterschaftsrang 3 im Folgejahr durch Claudia Hürtgen sowie Platz 3 beim Tourenwagen-Weltfinale auf dem berühmten Stadtkurs von Macau – der früheren portugiesischen Kolonie an der chinesischen Küste – durch Franz Engstler erneut Titelgewinn in der DTC 2003. Durch Claudia Hürtgen. Donald Molenaar wird Meisterschaftsvierter. Außerdem Titelgewinn und Rang 2 in der Privatfahrerwertung der ETCC, also der Tourenwagen-EM, durch Duncan Huisman und Tom Coronel. 2004 wurde aus der DTC die Deutsche Produktionswagen Meisterschaft (DPM). Schubert Motorsport holt sich auch dort den Titel. Durch Claudia Hürtgen.
2005 der nächste Schritt. Der Einstieg in die VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring und die Teilnahme an den 24 Stunden vom Nürburgring. Claudia Hürtgen im BMW 120d gewinnt für Schubert Motorsport den Meistertitel 2005. Seitdem zählt Schubert Motorsport zu den kontinuierlichen Startern der Langstreckenrennen-Rennserie mit Tourenwagen und GT-Wagen auf der zwar schönsten aber auch anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt. 2006 folgen Klassensiege in allen Läufen mit dem neuen BMW 120d. Ab 2007 kommt das BMW Z4 M Coupé zum Einsatz. In jenem Jahr fahren Hans-Joachim und Johannes Stuck an der Seite von Claudia Hürtgen und Richard Göransson im BMW Z4 M Coupé beim 24-Stunden-Rennen zum Klassensieg und Platz 5 in der Gesamtwertung. Stian Sorlie und Jörg Viebahn wurden im BMW 120d Meisterschaftsvierte in der VLN.
Anfangs mit seriennahen Tourenwagen am Start (BMW 120d, BMW Z4 M Coupé, BMW 320d), fokussiert auf die Meisterschaft und Klassensiege, zählt Schubert Motorsport seit einigen Jahren zu den Favoriten auf Gesamtsiege. Der Grund dafür: Der Einsatz von gesamtsiegfähigen Fahrzeugen der FIA-Gr.GT3 – in der VLN eingesetzt in der VLN-Specials-Klasse SP9. Der über 500 PS und deutlich über 600 Nm starke BMW Z4 GT3 ist die scharfe Waffe von Schubert Motorsport im Kampf um die Gesamtsiege auf der Nürburgring-Nordschleife. Ein brachiales Sportgerät mit einer „Bodybuilder“-Figur und einem brutalen, ins Mark gehenden Klang.
2010 fährt Schubert Motorsport mit einem der beiden eigesetzten Boliden dieses Typs zum 4. Gesamtrang beim 24-Stunden-Rennen. Der zweite Wagen schied nach Unfall aus. 2011 weitere Starts und „Top-10“-Platzierungen bei den 24 Stunden und den Rennen der VLN. Platz 7 bei Lauf 3, Platz 3 und 5 bei Lauf 7 und Platz 3 und 7 bei Lauf 10. 2012 Sieg beim Saisonauftakt der VLN mit Dirk Adorf, Dirk und Jörg Müller, Platz 2 und 3 bei Lauf 2, Platz 3 bei Lauf 3, Platz 7 und 8 beim 24-Stunden-Rennen. Über die Erfolge der letzten Jahre bei den Langstreckenrennen auf der Nürburgring-Nordschleife zu schreiben, heißt „Eulen nach Athen tragen“. Schubert Motorsport ist in der Nordschleifen-Rennszene ein Begriff.
2006 holt Schubert Motorsport – parallel zu den Einsätzen in der VLN – je zwei Siege in der ADAC Procar, der Nachfolgeserie von DPM und DTC, durch Claudia Hürtgen im BMW 320i und Marc Hennerici im BMW 120d. 2007 erster Platz in der Mini Challenge, dem Markenpokal mit seriennahen Minis. 2008 erstmals Starts bei Langstreckenrennen im Ausland. Es folgen Klassensiege und Gesamtsiege bei den 12 Stunden auf dem Hungaroring/Budapest, den 24 Stunden von Dubai, den 24 Stunden in Catalunya/Barcelona und den 24 Stunden von Spa Francorchamps.
2010 und 2011 erfolgreiche Starts in der FIA GT3 - EM und seit 2012 im ADAC GT Masters. Im ADAC GT Masters ist Schubert Motorsport seit 2012 als permanenter Teilnehmer am Start. Es ist die erste volle Saison des Teams aus Oschersleben in dieser Rennserie. Schubert Motorsport absolvierte bereits zwei Testeinsätze im ADAC GT Masters bei den beiden Finalrennen 2010. Schubert Motorsport setzt den BMW Z4 GT3 bereits in der dritten Saison ein und siegte 2010 und 2011 bereits in der FIA GT3 - EM.
Nach fast drei Stunden verlasse ich wieder Oschersleben und die Windräder auf den Feldern in Richtung Magdeburg um dort auf die A14 zu fahren. Man sieht sich bei einem der nächsten Rennen der ADAC GT Masters oder VLN. Ganz bestimmt.
Nachtrag: Beim bevorstehenden 6-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife, startet Schubert Motorsport aus Oschersleben mit dem BMW Z4 GT3 in der traditionsreichen „Sag Ja zum Nürburgring“-Optik mit Peter Posavac und Anders Buchardt am Lenkrad. Der Teamchef Torsten Schubert kehrt außerdem am Steuer des BMW 320d auf die Nordschleife zurück und teilt sich beim 6-Stunden-Rennen – dem Saisonhöhepunkt der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring – das Cockpit mit Nils Tronrud.
Fotos: Torsten Schnierstein