Einer der ganz Großen des internationalen Automobil-Rennsports hing nach dem diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife seinen letzten Helm an den berühmten Nagel. Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck beendete im Alter von 60 Jahren seine aktive Laufbahn. Damit schließt sich auch der Kreis. Strietzel sammelte schon als junger Bursche erste Erfahrungen in der „Grünen Hölle“, da sein Vater dort Fahrerlehrgänge abhielt.
Das Rennfahren wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater Hans Stuck – einer der ganz Großen des Automobil-Rennsports der Vorkriegs- und Nachkriegs-Ära. Einer der Auto Union-Werksfahrer in der Grand Prix – Formel der 30er Jahre. Mit einer Sondergenehmigung bekam der junge Hans-Joachim mit 16 Jahren den Führerschein. 1969 gewann er den Sportfahrerlehrgang der Scuderia Hanseat und verdiente sich mit Erfolgen bei kleineren Rennen die internationale Rennlizenz.
1970 gewann der damals erst Neunzehnjährige die Erstausgabe des 24-Stunden-Rennens vom Nürburgring auf einem BMW 2002 TI aus dem Rennstall des seinerzeit erfolgreichen und bekannten Tourenwagen-Fahrers und BMW-Tuners Hans-Peter Koepchen. 1971 wurde Strietzel Werksfahrer in Diensten der BMW-Sportabteilung und wurde in der damaligen Tourenwagen-EM eingesetzt. Gleichzeitig startete er für BMW in der damaligen Formel 2 – EM. Seit dieser Zeit sein Markenzeichen: Ein blauer Helm mit weißen Sternen um den Helmausschnitt. 1972 der Wechsel zur Sportabteilung von Ford. Gekrönt mit dem Meistertitel, auf einem Ford Capri RS 2600. Nach seiner Rückkehr zu BMW folgten Siege in der Formel 2 auf einem March-BMW.
In der Formel 1 - Weltmeisterschaft fuhr Strietzel in der Ära der 3-Liter-Saugmotore von 1974 bis 1976 für den britischen Rennstall March auf einem March-Ford Cosworth V8 insgesamt acht WM-Punkte ein. 1977 sollte er ursprünglich für den deutschen Rennstall ATS fahren. Als der britische Rennstall Brabham, damals unter der Leitung eines gewissen Bernie Ecclestone, einen Ersatz für den bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückten Brasilianer Carlos Pace suchte, bekam Strietzel das Cockpit eines Brabham – Alfa Romeo V12. Zu Buche standen schließlich zwei dritte Plätze beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring und beim Großen Preis von Österreich auf dem Österreichring bei Zeltweg. Sein Cockpit übernahm im Folgejahr Niki Lauda. Strietzel fuhr dann 1978 für den britischen Rennstall Shadow einen Shadow – Ford Cosworth V8 und 1979 für ATS einen ATS – Ford Cosworth V8. Seine Körpergröße in Relation zu den Formel 1 – Konstruktionen verhinderte einen weiteren Verbleib in der Formel 1.
1979 fuhr Strietzel in der Procar-Serie, in der Formel 1-Fahrer auf identischen 470 PS starken BMW M1 antraten. Am Saisonende wurde er Zweiter in dieser Rennserie. 1984 Deutsche Tourenwagen Meisterschaft (DTM) im BMW 635 CSi.
Es folgten sehr erfolgreiche Jahre als Werksfahrer in Diensten der Porsche-Sportabteilung in der damaligen Prototypen-WM für Gr.C. Anfangs im Porsche 956, später im Porsche 962. Die größten Erfolge jener Ära: Sieger bei den 24 Stunden von Le Mans und im deutschen Supercup im Porsche 962 in den Jahren 1986 und 1987.
In Nordamerika, in der Trans-Am-Serie (1988) sowie in der IMSA-GTO-Serie (1989), fuhr Strietzel für die Audi-Sportabteilung den Audi 200 quattro und den noch spektakuläreren Audi 90 quattro IMSA GTO.
Zurück in Deutschland folgte der Einstieg in die DTM mit Audi. Und auch dort war er auf Anhieb erfolgreich: 1990 Meister auf einem Audi V8. 1996 ITC – die Nachfolgeserie der DTM - im Opel Calibra V6 des Teams Rosberg.
In den 90ern fuhr er wieder für Porsche, verpasste aber 1996 den Le-Mans-Sieg knapp auf dem Porsche 911 GT1. Auch 1997 war bei Porsche kein Sieg zu verzeichnen.
Ab 1998 stand Stuck wieder in Diensten bei BMW. Auf dem neuen Williams - BMW V12 – einem offenen Prototypen - blieb ihm allerdings der Le Mans – Sieg vergönnt. Dafür holte er sich den Sieg beim Eifel-Marathon durch die „Grüne Hölle“. Damals favorisierte das Reglement seriennahe Tourenwagen. 28 Jahre nach seinem ersten Sieg auf der Nordschleife gelang ihm 1998 ein erneuter Sieg auf einem BMW 320d. Es folgten Einsätze in der der American Le Mans Series (ALMS) in Nordamerika. Der im Jahre 2001 in der ALMS siegreiche BMW M3 GTR V8 wurde 2002 Ende des Jahres im Hinblick auf das 24-h-Rennen Nürburgring 2003 getestet. 2004 folgten Einsätze in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring auf der Nordschleife und für Strietzel der dritte Sieg beim Eifel-Marathon und im Folgejahr Rang 2. 2006 trat er auf einem privat eingesetzten BMW M3 GTR mit 6-Zylindermotor an. Bei einem VLN-Rennen 2007 im BMW Z4 M des Schubert-Rennstalles hatte er einen schweren Unfall. Aber schon beim 24-Stunden-Rennen wenige Wochen später saß er mit seinem Sohn Johannes Stuck sowie Claudia Hürtgen wieder im Cockpit. Nach der Hatz zweimal um die Uhr reichte es zu beachtlichen fünften Gesamtrang sowie zum Klassensieg in der Klasse bis 3,5 Liter. In der Truck-EM 2007 fuhr Stuck für das Team Allgäuer auf einem MAN.
2008 trat er in den Dienst des Volkswagen-Konzerns, für den er in seinen Audi-Zeiten schon tätig war. Stuck fuhr zur Markteinführung den neuen VW Scirocco beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring und gewann seine Klasse. Beim 6-Stunden-Rennen der VLN fuhr er auf einem Lamborghini Gallardo. Ab 2009 war er maßgeblich an der Entwicklung und den Renneinsätzen des Audi R8 LMS der Klasse GT3 beteiligt und feierte 2009 im Rahmen der VLN-Langstreckenmeisterschaft Nürburgring den einzigen Sieg eines R8 LMS jener Saison.
Das 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring 2011 bildete nunmehr den Abschluß seiner langen und sehr erfolgreichen aktiven Laufbahn. Mit seinen Söhnen Johannes und Ferdinand sowie Dennis Rostek fuhr er auf einem vom Rennstall von Hans Reiter eingesetzten Lamborghini Gallardo LP 600 GT3 als Team Stuck³ auf P15 im Gesamtklassement.
Wie sieht Strietzels Bilanz nach über 40 Jahren im aktiven Motorsport aus? Strietzel fuhr fast alles, was in den letzten vier Jahrzehnten bei Rundstreckenrennen am Start war. Spezial-Tourenwagen der Gr.2 und Spezial-Produktionswagen der Gr.5 sowie Formel 2 und Formel 1 in den 70er Jahren. Tourenwagen der Gr.A und Prototypen der Gr.C in den 80er Jahren und danach Tourenwagen, GT-Wagen und Prototypen querbeet durch alle Gruppen und Klassen. Mit seinem „Popometer“ hatte er alle Boliden im Griff. Von 1974 bis 1979 insgesamt 6 Jahre in der Formel 1 – Weltmeisterschaft mit 74 Grand Prix, 29 WM-Punkten und 2 Podestplätzen sowie WM-Rang 11 (1977). 2 Le Mans-Siege (1986 und 1987 im Porsche 962). 3 Siege bei den 24 Stunden vom Nürburgring (1970, 1998 und 2004) und insgesamt 5 Jahre in der DTM (1984, 1990-92) und der ITC (1996).
Strietzel, was willst Du mehr? Zumal die dritte Generation der Rennfahrer-Dynastie Stuck – Johannes und Ferdinand – sich anschickt in Vaters und Großvaters Fußstapfen zu treten. Aber so ganz glauben wir es noch nicht, daß der lange „Strietzel“, wie ihn seine schlesische Großmutter nannte, vom Rennfahren lassen kann. Warten wir es ab.
Vor allem und das ist wichtiger als all seine herausragenden sportlichen Erfolge – der Strietzel ist sich immer treu geblieben. Eben der nette große Junge von Nebenan. Der Lausbub aus den Bergen. Ein Kind seiner Zeit und seiner Rennfahrergeneration.

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