Im zweiten Teil der Reportage über den Porsche 956 berichten wir von den ersten Tests die mit dem Zuffenhausener Gr.C Wagen in Paul Ricard gefahren wurden und über die Feinarbeit, die nötig war um den Wagen zu einem Siegerwagen zu formen.

Der erste 956 hatte weder das allgemein bekannt hohe Kurzheck noch das lange Flache Le Mans Heck, sondern kurzes, flaches Heck. Ex Rennfahrer und Le Mans Gewinner Jürgen Barth hatte die Ehre das Auto ein erstes Mal zu bewegen. Es gilt zu testen ob die planerischen Denkvorgänge der Konstrukteure auch auf der Strecke funktionieren, Grundsätzliches zu testen, ob die Bremsen packen, ob der Motor richtig läuft und schaltet, wie der Wagen lenkt usw. Nachdem man in Weissach ein Roll Out ohne große techn. Probleme absolvierte, packte man seine Sieben Sachen (u.a. mit einem Porsche 936) um vom 31.3.82 bis zum 2.4.82 in Paul Ricard zu testen.

. Man wollte ein erstes Mal herausfinden wo man in Bezug auf die Leistung im Gegensatz zum mitgeführten Porsche 936 steht. Die ersten Rundenzeiten in Paul Ricard sind eine Enttäuschung. Den errechneten Rundenzeiten von ca. 1.44 min durch Norbert Singer stehen reale Rundenzeiten von nur 1.48,8 min. gegenüber. Eine defekte Bremsscheibe lässt die Ingenieure anfänglich an der Konstruktion der Bremsen zweifeln, da man keinen Bremsdruck halten kann. Sehr bald hat sich jedoch das Problem gelöst. Eine Bremsscheibe vorne rechts hatte einen Schlag bekommen. Dies lässt die Mannschaft einerseits aufatmen, andererseits macht man sich Sorgen um die Kühlung der Wassertemperatur die mit 90 bis 100 Grad relativ hoch.

Neben dem schwierigen Problem der Wassertemperatur, gibt es noch etliche andere kleine Probleme die in Weissach in Angriff genommen werden müssen, wie z.B. die Tankanlage, die Wagenheberanlage, die Be- und Entlüftung des Fahrercockpits, weitere Feinarbeiten an der Aerodynamik, der Heckspoiler muss überarbeitet werden; um nur einige Sachen zu nennen. Die Fahrer beschwerten sich über zu hohe Lenkkräfte. Aus diesem Grund wird ein neuer Lenkhebel in Weissach entwickelt. Ein fast 30 Seiten langer Änderungskatalog bereitet der Weissacher Mannschaft in den nächsten Tagen viel Arbeit und Kopfzerbrechen.

Um die Kühlungsprobleme in den Griff zu bekommen vergrößert man die Kühlereinlaufe so lange bis der Motor richtig „cool“ ist. Die Ingenieure gestehen ein, dass der Verlauf der Luft zu den Kühlern neben den Türen etwas willkürlich aussieht. Durch diese Form, welche langwierig erarbeitet wurde, bekommt man das Problem des Kühlers in den Griff.

Da die erhitzte Luft durch den Motor auch aus dem Heckraum des Wagens gebracht werden muss, entschließt man sich, wie schon oben angesprochen, für die Lösung im Unterboden des Wagens Schlitze anzubringen. Eine sehr nachteilige Lösung, denn bei Tests zeigt sich, dass sehr deutlich wie sich durch das Einblasen von Luft aus dem Motorraum in den Heck-Diffusorraum die Balance des Wagens von der Vorderachse zur Hinterachse verschiebt. Bei Tests in Paul Ricard stellt sich heraus, dass der Wagen wesentlich besser „geht“, wenn die Schlitze durch eine unten am Unterboden angebrachte Platte verschlossen sind. Diese Tatsache hat sich schon bei den Windkanaltests mit einem 1:5 Modell in der Stuttgarter Universität angedeutet. Bei den allerersten Rennen, z.B. in Silverstone fährt man noch mit offenen Schlitzen. Entgegen aller Erwartungen geht das relativ gut, ohne dass die Temperatur in die Höhe schießt. Seit dem Jahr 1983 werden die Schlitze immer geschlossen bzw. wurden im Laufe der Zeit durch einen neuen Unterboden mit Kiemen ersetzt.

Dass die umfangreichen Änderungen nach dem ersten Test sinnvoll waren zeigt die Tatsache, dass die Rundenzeiten beim zweiten Test in Paul Ricard nun endlich besser werden. Bei diesem Test wird nun erstmals auch die Langheck-Version des Porsche 956 getestet. Die Ingenieure versuchten immer den Porsche 956 Langheck als einen eigenständigen Rennwagen anzusehen. Allein die Tatsache, dass es einen Umrüstsatz von Kurzheck auf Langheck gibt lässt diese Ansicht als Makulatur erscheinen. Mit der Zeit gab man diese Ansicht jedoch auf.

In Zuffenhausen stand man mit Rennwagen mit langem Heck bis dato immer etwas auf Kriegsfuß. Sowohl die Arbeit beim 917 als auch beim 936 waren langwierig bis man adäquate Abstimmungen der Balance hatte. Die Langheck Version erweißt sich als sehr gelungen und findet bei den Fahrern mehr Anklang als die Kurzheck Version. Derek Bell:“ Mir gefällt die Langheck Version besser. Mit der kann ich ja noch driften. Die Kurzheck Version beißt und beißt und auf einmal ist sie weg.“ Die Langheck Version wird deshalb bevorzugt, weil sie mehr Abtrieb hat als der alte Porsche 936 aber etwas weniger als der Kurzheck 956. Die allgemeine Zufriedenheit mit dem Langheck ist groß.

Gravierende Fehler beim Langheck hätte man sich jetzt kaum noch erlauben können, da in wenigen Monaten die 24 Stunden von Le Mans anstanden. Nach den Tests mit dem Langheck wird für den Porsche 956 letztendlich eine Basisabstimmung erarbeitet nach der sich alle weiteren richten. Diese Abstimmung wird von den Ingenieuren die Null Linie genannt.

Oft kommt es so durch bestimmte Literaturen so herüber, dass der Porsche 956 / 962 ein von Anfang an fehlerfreies Auto gewesen sei und sofort seien Erfolge am laufenden Band einfuhr. Ein Erfolgsauto ist er, wenn man die letzten 20 Jahre betrachtet ohne Zweifel. Jedoch war auch der Porsche 956 ebenso ein Auto was erst zu seiner Rennreife gebracht werden musste. Auch ein heutiger Formel 1 Ferrari ist nicht von Anfang an perfekt – auf keinen Fall. Erst das konsequente ausmerzen von Problemen und Schwachstellen in der Konstruktion durch die fleißigen Porsche Mannen haben diesen atemberaubenden Rennwagen dorthin gebracht wo er heute in der Geschichte des Motorsports steht, nämlich ganz weit oben.



1995 - Tests mit einem restaurierten Porsche 956 und einem Porsche 962 in Hockenheim.

Teil 3 folgt in ca. einer Woche - ring1.de wünscht viel Spaß beim Lesen!

Ein Dank geht an das Porsche Archiv für die zur Verfügung gestellten Bilder.

Quelle Bilder: Porsche Archiv

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