Die Deutsche Streckensicherung e.V. ist einer von vielen Vereinen von Sportwarten, die bei Rennveranstaltungen in ganz Deutschland für die Sicherheit auf der Strecke garantieren. In dieser Reportage wird der Alltag der Sportwarte der Deutschen Streckensicherung näher beleuchtet.

Nürburgring, 10. August 2007, es ist kurz vor 6 Uhr. Der Wecker klingelt und reißt die Aktiven der Deutschen Streckensicherung e.V. aus dem kurzen Schlaf in Wohnwagen oder Zelten. Der Freitag, gleichzeitig der erste von drei Tagen des 35. AvD-Oldtimer-Grand-Prix steht auf dem Plan, doch das Wetter scheint sich wie so oft gegen die Motorsportler-Gemeinde verschworen zu haben. Die Sicht beträgt ungefähr 30 Meter und ein leichter Nieselregen schlägt aufs müde Gemüt. Trotzdem müssen alle Streckenposten auf Grand-Prix-Strecke und Nordschleife spätestens eine Stunde vor dem geplanten Start der Veranstaltung um 8:30 Uhr besetzt sein, da hilft auch kein Jammern. Es gibt Kaffee gegen die Müdigkeit und hier und da einen lustigen Spruch der Erfahreneren um die Stimmung zu heben.

Ab 7 Uhr fahren Shuttles zur GP-Strecke, wo die Sportwarte der Deutschen Streckensicherung e.V. an diesem Freitag im Bereich Rheinland-Pfalz-Bogen bis NGK-Schikane eingesetzt sind. Pünktlich um 7:30 Uhr sind alle Posten besetzt, doch die Sicht ist kaum gut genug, um von einem bis zum nächsten Posten sehen zu können. Das gehört auch zum Sportwart sein - bereit sein! Die Wetterlage wird einfach nicht besser, der Nürburgring, sowohl die GP-Strecke als auch die Nordschleife, bleiben in einen dichten Nebelschleier gehüllt. Eigentlich sollte um 8 Uhr „Rot gefahren“ werden, das bedeutet, dass ein Fahrzeug der Streckensicherung mit rausgehaltener roter Flagge einmal um die Strecke fährt, um sie für die Rennen zu sperren, ab diesem Zeitpunkt sollte es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis die ersten Teilnehmer kommen. Doch immer wieder kommt ein Fahrzeug der Rennleitung um die Strecke gefahren, um die herrschenden Wetterbedingungen einzuschätzen. Als auch bis 14 Uhr keine Wetterbesserung eintritt, wird das ganze Programm für Freitag abgesagt. Nun haben auch die Sportwarte endlich frei. Wenigstens der Samstag und Sonntag, an diesen Tagen sind die Ford-Kurven der Einsatzbereich, laufen in geregelten Bahnen ab. Im Falle des Samstages bedeutet das: zwischen 7 und 22 Uhr an der Strecke stehen, aufgrund des engen Zeitplans durch den verlorenen Freitag also fast ein Akkordjob, bei dem die Sportwarte kaum mal fünf Minuten zum Verschnaufen kommen. Es verwundert kaum, dass der Streckensprecher mehrfach die Arbeit der Flaggen schwenkenden „Polizisten der Rennstrecke“ durch Danksagungen würdigt und öffentlich lobt.

Nürburgring, eine Woche später. Das 30. RCM DMV Grenzlandrennen, der 6. Lauf zur VLN 2007 steht für Samstag auf dem Programm. Traditionell besetzen die Sportwarte der Deutschen Streckensicherung e.V. die Posten 64 bis einschließlich 75, also vom ersten Rechtsknick nach T13 bis Hocheichen. Doch bevor am Samstag die Rennaction beginnt, heißt es schon am Freitag Vorbereitungen treffen. Nicht nur für den Einsatz auf dem Streckenposten, sondern vor allem für das mittlerweile schon traditionelle Sommerfest bei Dirk Adorf in Balkhausen, das am Samstagabend nach dem Rennen stattfindet.

Am Samstag ist um 6:30 Uhr Treffen an der alten Nordschleifen-Zufahrt, T13 genannt. Ich bin nicht dabei, werde aber im Rahmen eines Selbstversuches zwei Stunden später trotzdem meinen Weg auf Posten 64 finden. Das ist der erste Posten im Zuständigkeitsbereich der DSS e.V. und wie bereits gesagt liegt er innerhalb des ersten Rechtsknicks nach der T13. Im Rahmen der VLN findet an diesem Wochenende ein Lauf zur FISC statt, einer Rennserie mit historischen Rennwagen. Viel von den Autos sieht man nicht. Man hört sie, 40 Meter oder umgerechnet eine Sekunde bevor sie am Posten vorbei fahren sieht man sie und gut drei Sekunden später sind sie im nächsten Rechtsknick schon wieder verschwunden. Posten 64 ist wahrlich kein Glückslos für einen Sportwart. Man hat überhaupt keine Übersicht über die Strecke, das einzige was man sieht ist Posten 65, der außerhalb des zweiten, etwas engeren Rechtsknicks liegt. Und den Ausgang der Bit-Kurve auf der GP-Strecke, den sieht man auch! Dort kann man aber nur selten hingucken, weil von links ständig Autos am Posten vorbeifahren und man blitzschnelle Reaktionen haben muss, um überhaupt eine blaue Flagge zeigen zu können. Zudem scheint an diesem Samstag die Sonne, wodurch der ihr völlig exponierte Posten 64 eigentlich zum optimalen Liegeplatz für Sonnenanbeter wäre. Aber der gemeine Sportwart ist aus Feuerschutzgründen zum Tragen langer Kleidung verdammt, so schwitzt man selbst um 8:30 Uhr schon mit den Fahrern um die Wette. Um 8:45 Uhr ist das Training der FISC vorbei.

Die Sinnfrage, eine Rennserie mit rund 20 Autos auf einer 24,4 km langen Strecke durchzuführen, stellt sich, als um kurz nach 9 Uhr die ersten VLN-Boliden am Posten vorbeischießen. Nach dem eher langweiligen Training der Oldtimer fliegen nun fast im Sekundentakt Autos in den Streckenabschnitt Hatzenbach ein und in fast ebenso hoher Frequenz zuckt die Hand mit der blauen Flagge, immer verbunden mit der Frage: „Kann sein Hintermann schneller oder nicht?“ Im Zweifel wird die Flagge gezeigt, „lieber einmal Blau zu viel als zu wenig“ oder "Blau verhindert Gelb" heißt es unter Sportwarten.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde geht es weiter zu Posten 68, direkt vor der Einfahrt zum Hatzenbach-Geschlängel. Ein Traum für jeden Sportwart. Man sieht die Autos weit im Voraus und kann zweifelsfrei immer die richtigen Flaggen zeigen. Aber auch hier sind das Sommerwetter und die Vorschrift zur langen Kleidung eine schlechte Kombination, es wundert kaum, dass erfahrene Sportwarte immer eine große Flasche Wasser dabei haben! Und auch andere Dinge, um die sich ein Außenstehender kaum Gedanken macht, werden für Sportwarte der Streckensicherung zu echten Themen. Was ist zum Beispiel, wenn man mal auf die Toilette muss? Schließlich steht man selbst bei einem ganz normalen VLN-Lauf ohne Rahmenprogramm über 8 Stunden auf dem Posten und hat nur eine kurze Mittagspause. Da muss man sich schon zwei Mal überlegen, wie viel Essen und Trinken man mit auf den Posten nimmt.

Der Blick auf einen Sportwart, der jedoch nicht zur Deutschen Streckensicherung e.V. gehört, bietet ein sehr anschauliches Beispiel für die Strapazen eines solchen Jobs: Ramon Schmidt wurde zu einem der stillen Helden des 9. VLN-Laufs 2007, als er nach einem schweren Startunfall auf seinem Posten ausgangs der Hohenrain-Schikane eine Dreiviertelstunde lang die gelbe Flagge schwenken musste und er danach von Krämpfen geplagt wurde. Immer öfter stellt sich deshalb für mich die Frage: Was treibt jemanden dazu, Sportwart der Streckensicherung zu werden? Stellt man diese Frage einem Sportwart, zieht man meist erstmal fragende Blicke auf sich. Logisch sei solch ein Engagement kaum zu erklären. Es mache ganz einfach Spaß, aktiv am Motorsport mitzuwirken. Man müsse wie jeder andere im Motorsport aktive Mensch aber schon „einen dicken Nagel im Kopf“ haben. „Der Job fordert viel von einem ab“, bestätigt ein langjähriger Sportwart, „Koordination, Konzentration, Teamwork. Wenn so ein Zusammenspiel auf den Posten in einer brenzligen Situation perfekt klappt, ist das natürlich ein schönes Gefühl!“ Es ist also auch so zu verstehen, dass man als Sportwart der Streckensicherung unbedingt auch ein großer Fan des Motorsports sein muss und man so das berechtigte Gefühl bekommt, dem Sport etwas zurückgeben zu können. Fest steht, dass ohne das Engagement dieser Helfer keine Motorsportveranstaltung durchzuführen wäre, auch und vor allem eine Breitensport-Rennserie wie die VLN nicht.

Zurück zu meinem Sportwart-Praktikum: Ungefähr zur Halbzeit des nachmittäglichen Rennens komme ich zurück zum Hatzenbach und suche Posten 75 auf, wo auch der Vorsitzende Oliver-Werner Sadrinna, der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Meißner und der Geschäftsführer Michael Sadrinna zu finden sind. Außerdem ist hier auch ein Fahrzeug der ONS (einer der schönen blauen BMW X5) untergebracht, das jederzeit ausrücken kann um die Strecke abzusichern oder havarierte Fahrzeuge von eben dieser zu schleppen. Der Posten befindet sich im Hocheichen, rechts der Fahrtrichtung und genau im Gefälle des S. Nach links sieht man wie auf Posten 64 nichts, geradeaus kann man bis zur Quiddelbacher Brücke gucken. Auch hier ist die blaue Flagge eine Entscheidung von Sekundenbruchteilen. Vielleicht handelt es sich ja gar nicht um eine Überrundung, sondern um einen Kampf in der Klasse?

Um 17 Uhr ist das Rennen beendet, der Tag für die Sportwarte heute aber noch lange nicht. Zuerst geht es für ein Gruppenfoto auf die GP-Strecke. Hier sieht man viele der 450 brandneuen, orangenen Jacken der VLN-Streckensicherung, die am selben Morgen verteilt wurden. Die Ausgabe der Jacken stand am Ende einer Spendenaktion, die von Dirk Adorf und Johannes Scheid ins Leben gerufen wurde. Nachdem anfänglich unter anderem auf den VLN-Fahrerbesprechungen Geld gesammelt wurde, konnte auch die Industrie auf die Aktion aufmerksam gemacht werden. Zusammen mit einer großen Mitgift der VLN konnten nun die ersten 450 neuen Jacken für Sportwarte angefertigt und ausgeteilt werden. Da noch ein paar Jacken fehlen, hat VLN-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hilgeland bereits angekündigt, dass bis zum Frühjahr 2008 alle restlichen Jacken beschafft sein sollen. Eine, wie man sagen muss, wirklich sehr lobenswerte Aktion.

„Lobenswert“, das ist auch das Stichwort für das Sommerfest von Dirk Adorf, das im Anschluss an das Fotoshooting beginnt. Lobenswert vor allem die alljährlich mit dem Sommerfest verbundene Spendenaktion für Markus Krämer, einem Sportwart, der während einer Bergung mit der E-Unit durch einen Unfall am Schwedenkreuz schwer verletzt wurde und seitdem querschnittsgelähmt ist. Heute muss er von einer dünnen Sozialhilfe leben. Auf Initiative von Olli Martini und Dirk Adorf wurde diese Spendenaktion ins Leben gerufen, um Markus Krämer das Leben zu erleichtern. Ebenfalls traditionell ist es geworden, dass viele Sportwarte ihre gesamten 37 Euro Aufwandsentschädigung, die sie für den Einsatz bei einem VLN-Rennen bekommen, in den Spendentopf geben. Nicht nur bei der Deutschen Streckensicherung e.V. ist man sich deshalb einig: „Einmal im Jahr stehen wir nur für Markus hier oben!“

Und nicht nur die Sportwarte finden sich zum Sommerfest ein: Neben Gastgeber Dirk Adorf sind auch Hermann Tilke, Nicolas und Martin Raeder, Wolfgang Land, Marc Hennerici, Marc Basseng, Christopher Gerhard, Sabine Schmitz, Klaus Abbelen, Jörg Viebahn, Oliver Kainz, und Stephan Wölflick in Balkhausen anzutreffen, womit die Liste der anwesenden „Promis“ jedoch noch lange nicht komplett ist. Auch Johannes Scheid gibt sich z.B. an seinem 58. Geburtstag die Ehre. Es wird viel Fleisch und Wurst vom Grill und natürlich Bier vertilgt, das wiederum auch von vielen fleißigen Helfern, unter anderem auch von Mitgliedern der DSS e.V., gezapft wird. Das Lagerfeuer -entfacht von Hermann Tilke- wird rund um den Platz mit Live-Musik von Hans-Peter Schäfer und Klaus Abbelen untermalt.

Der Morgen danach: Die Sportwarte, die einen langen Tag in den Knochen stecken haben, sind bereits um 9 Uhr wieder in Balkhausen und beseitigen die Spuren des Vorabends. Nachdem der Anhänger des Vereins, welcher am Vorabend als „Musikwagen“ diente, weggebracht ist, trennen sich um kurz vor 11 Uhr die Wege der Aktiven der Deutschen Streckensicherung. Jeder versucht noch ein wenig den Sonntag zu genießen, bevor er am Montag in seinen ganz normalen Berufsalltag zurückkehrt. Und das nächste Rennen kommt bei 26 Veranstaltungen im Jahr bestimmt schon bald!

Mehr Informationen: www.deutsche-streckensicherung.eu

Fotos:

Christian Reinsch

Oliver Wegen / www.ringfotograf.de

Deutsche Streckensicherung e.V.

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